Wie sind Betriebs­rä­te eigent­lich entstanden?

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Der ers­te Betriebs­rat wur­de im Jahr 1919 in Deutsch­land gegrün­det. Die Ein­füh­rung des Betriebs­rats geht auf die Wei­ma­rer Reichs­ver­fas­sung zurück, die das Recht auf Bil­dung von Betriebs­rä­ten fest­leg­te. Seit­dem hat sich das Kon­zept des Betriebs­rats in vie­len Län­dern welt­weit ver­brei­tet und ist zu einem wich­ti­gen Instru­ment für die Ver­tre­tung der Inter­es­sen der Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer geworden.

Wäh­rend der Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus wur­den die Betriebs­rä­te in Deutsch­land auf­ge­löst. Die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Regie­rung sah die Betriebs­rä­te als eine Bedro­hung ihrer Macht an und betrach­te­te sie als Instru­men­te der kom­mu­nis­ti­schen und sozia­lis­ti­schen Bewe­gun­gen. Im Jahr 1933 wur­de das Betriebs­rä­te­ge­setz abge­schafft und durch das Gesetz zur Ord­nung der natio­na­len Arbeit­neh­mer ersetzt, das die Betriebs­rä­te abschaff­te und durch von der Regie­rung ernann­te Betriebs­füh­rer ersetzt wur­den. Dies führ­te zu einem erheb­li­chen Macht­ver­lust der Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer und ver­stärk­te die Kon­trol­le des Staa­tes über die Wirtschaft.

Die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Regie­rung för­der­te die Bil­dung von Ein­heits­ge­werk­schaf­ten und betriebs­ei­ge­nen Inter­es­sen­ver­tre­tun­gen, die jedoch unter der Kon­trol­le der Regie­rung stan­den und kei­nen Ein­fluss auf die Ent­schei­dun­gen der Betrie­be hat­ten. Die Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer waren dadurch völ­lig von der Mit­be­stim­mung aus­ge­schlos­sen und hat­ten kei­ne Mög­lich­keit, ihre Inter­es­sen zu vertreten.

Erst nach dem Ende des Zwei­ten Welt­kriegs und der Grün­dung der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land wur­den Betriebs­rä­te wie­der ein­ge­führt und in der Ver­fas­sung verankert.

Wann sind die Betriebs­rä­te nach Ende des Zwei­ten Welt­kriegs wie­der erstarkt?

Nach dem Ende des Natio­nal­so­zia­lis­mus wur­den Betriebs­rä­te in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land durch das Betriebs­ver­fas­sungs­ge­setz von 1952 wie­der ein­ge­führt. In den 1960er und 1970er Jah­ren kam es zu einem ver­stärk­ten Enga­ge­ment der Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer in den Betrie­ben, was auch die Rol­le der Betriebs­rä­te gestärkt hat.

Beson­ders in den 1970er Jah­ren wur­de die Mit­be­stim­mung der Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land aus­ge­baut und gestärkt. Im Rah­men der sozi­al-libe­ra­len Refor­men wur­den zahl­rei­che Geset­ze erlas­sen, die die Rol­le der Betriebs­rä­te und die Mit­be­stim­mungs­rech­te der Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer aus­wei­te­ten. So wur­de bei­spiels­wei­se das Betriebs­ver­fas­sungs­ge­setz von 1972 novel­liert und die Mit­be­stim­mung in Auf­sichts­rä­ten von Groß­un­ter­neh­men eingeführt.

Ins­ge­samt kann man sagen, dass die Rol­le der Betriebs­rä­te in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land in den Jahr­zehn­ten nach dem Ende des Natio­nal­so­zia­lis­mus immer wei­ter gestärkt wur­de und heu­te eine wich­ti­ge Säu­le der Mit­be­stim­mung und des Arbeit­neh­mer­schut­zes darstellt.

Wie ist die Situa­ti­on für Betriebs­rä­te heute?

In jüngs­ter Ver­gan­gen­heit hat sich die Situa­ti­on der Betriebs­rä­te in eini­gen Län­dern ver­än­dert. Einer­seits gibt es Län­der, in denen die Bedeu­tung der Betriebs­rä­te wei­ter­hin hoch ist, wie zum Bei­spiel in Deutsch­land, wo Betriebs­rä­te auch heu­te noch eine wich­ti­ge Rol­le in der Arbeits­welt spielen.

Aller­dings gibt es auch Län­der, in denen die Rol­le der Betriebs­rä­te in den letz­ten Jah­ren schwä­cher gewor­den ist. In eini­gen Fäl­len ist dies auf die zuneh­men­de Glo­ba­li­sie­rung und die Ver­la­ge­rung von Arbeits­plät­zen in ande­re Län­der zurück­zu­füh­ren. Wenn Unter­neh­men ihre Pro­duk­ti­on in Län­der mit nied­ri­ge­ren Arbeits­kos­ten ver­la­gern, ist es oft schwie­ri­ger für die Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer, sich zu orga­ni­sie­ren und ihre Inter­es­sen zu vertreten.

In ande­ren Fäl­len ist der Rück­gang der Bedeu­tung von Betriebs­rä­ten auf die zuneh­men­de Fle­xi­bi­li­sie­rung der Arbeits­welt zurück­zu­füh­ren. In vie­len Bran­chen sind heu­te tem­po­rä­re Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­se und befris­te­te Arbeits­ver­trä­ge üblich, was es für Betriebs­rä­te schwie­ri­ger macht, eine sta­bi­le Ver­tre­tung der Arbeit­neh­mer­inter­es­sen aufzubauen.

Ein wei­te­rer Grund für den Rück­gang der Bedeu­tung von Betriebs­rä­ten in eini­gen Län­dern ist die zuneh­men­de Libe­ra­li­sie­rung der Arbeits­märk­te und die Redu­zie­rung der Regu­lie­rung. Wenn Unter­neh­men mehr Frei­hei­ten haben, Arbeits­be­din­gun­gen und Löh­ne selbst fest­zu­le­gen, kann dies dazu füh­ren, dass die Rol­le der Betriebs­rä­te geschwächt wird.

Ich bin mir sicher, dass Betriebs­rä­te in Deutsch­land auch in Zukunft noch eine gro­ße Rol­le spie­len wer­den – wenn sie die Ver­än­de­run­gen, die uns stets umge­ben – als Chan­ce annehmen.

Euer
Andre­as Galatas

Bild­rech­te Head­er­fo­to: © istockphoto.com/Luisa Vallon Fumi

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