Der Markt für Essenslieferungen hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt, getrieben von Digitalisierung und veränderten Konsumgewohnheiten. Im Zentrum dieser Entwicklung steht in Deutschland oft Lieferando, ein dominanter Akteur, dessen Geschäftsmodell und strategische Anpassungen maßgeblich die Dynamik der gesamten Branche beeinflussen.
Lieferandos Geschäftsmodell im Detail: Aggregation und Wertschöpfung
Lieferando, als Teil der globalen Just Eat Takeaway.com-Gruppe, agiert primär als Aggregator im Essensliefermarkt. Das Kerngeschäft besteht darin, eine digitale Plattform bereitzustellen, die hungrige Kunden mit Restaurants verbindet, die Liefer- oder Abholservices anbieten. Diese Plattform ermöglicht es Nutzern, bequem Restaurants und Küchen zu durchsuchen, online Bestellungen aufzugeben und Mahlzeiten direkt an ihre Haustür liefern zu lassen.
Das Umsatzmodell von Lieferando basiert hauptsächlich auf Provisionen, die den Partnerrestaurants für jede über die Plattform getätigte Bestellung berechnet werden. Die Höhe dieser Provision variiert stark: Für Bestellungen, bei denen das Restaurant die Lieferung selbst übernimmt (Marketplace-Modell), liegt die Provision in der Regel bei 13 % bis 14 % des Netto-Bestellwerts. Nutzt ein Restaurant hingegen den Full-Service-Lieferdienst von Lieferando, kann die Provision auf 30 % bis 31 % des Netto-Bestellwerts ansteigen. Zusätzlich dazu erhebt Lieferando eine feste Gebühr pro Onlinezahlung, die 0,69 € betragen kann, und seit April 2025 auch eine neue Servicegebühr für Kunden, die zwischen 2,5 % und 5 % des Bestellwerts (gedeckt bei maximal 0,99 € bzw. 1,49 €) liegen kann, je nachdem, wer die Lieferung durchführt. Diese Gebührenstruktur sorgt für wiederkehrende Einnahmen und ist ein Anreiz für Restaurants, ihr Verkaufsvolumen über die Plattform zu steigern.
Das Unternehmen setzt auf ein Hybridmodell für die Logistik, das sowohl eigene Lieferflotten als auch die Nutzung von Lieferdiensten Dritter, also Subunternehmern, kombiniert. Dies ermöglicht Flexibilität und Skalierbarkeit, insbesondere in Ballungsräumen. Funktionen wie Kundenbewertungen, Restaurantbewertungen und personalisierte Empfehlungen sollen das Nutzererlebnis verbessern und die Kundenbindung fördern.
Kostenreduzierung und Effizienzsteigerung: Ein Balanceakt
In einem hart umkämpften Markt stehen Lieferdienste unter ständigem Druck, ihre Betriebsabläufe zu optimieren und Kosten zu senken. Lieferando verfolgt hierbei verschiedene Strategien:
Logistikoptimierung durch Technologie
Ein zentraler Ansatz zur Effizienzsteigerung ist die Optimierung der Logistikprozesse. Dies umfasst Routenoptimierung für eine schnellere Lieferung und geringere Kosten, oft unterstützt durch GPS- und Telematik-Systeme. Die Integration von Digitalisierung und Technologie ist unerlässlich, um Bestellprozesse zu optimieren, Lieferzeiten zu verkürzen und die Kundenzufriedenheit zu erhöhen. Lieferando investiert in seine Technologie und Plattform, um das bestmögliche Bestellerlebnis zu bieten und gleichzeitig die Gebührenstruktur zu vereinfachen.
Strategischer Schwenk zu Subunternehmern
Eine der signifikantesten Maßnahmen zur Kostenreduzierung und zur Steigerung der operativen Flexibilität ist Lieferandos verstärkter Fokus auf die Zusammenarbeit mit Subunternehmen. Ab Juli 2025 plant Lieferando die Entlassung von rund 2.000 eigenen Fahrern in Deutschland, insbesondere in wichtigen Märkten wie Hamburg, um diesen strategischen Wandel voranzutreiben. Das Unternehmen argumentiert, dass dies eine notwendige Anpassung an die sich verändernden Marktanforderungen sei, um flexibler und anpassungsfähiger auf Nachfrageschwankungen zu reagieren.
Dieser Trend zur Auslagerung an externe Dienstleister ist branchenweit zu beobachten und wird oft als Reaktion auf den zunehmenden Wettbewerbsdruck und die Notwendigkeit zur Kostenoptimierung gesehen. Während dies für Lieferando eine Möglichkeit sein kann, Kapazitäten dynamischer anzupassen und Personalkosten zu sparen, stößt dieser Schritt auch auf Kritik. Arbeitnehmervertretungen und Gewerkschaften äußern Bedenken hinsichtlich der sozialen Verantwortung und der potenziellen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, wie geringerer Lohn, fehlendes Urlaubs- oder Krankengeld und mangelnde Transparenz bei den Subunternehmern. Es wird kritisiert, dass Plattformen die Arbeitsbedingungen der Subunternehmer nicht ausreichend überwachen und es in einigen Fällen Berichte über unzureichende Verträge oder sogar Kündigungsvereinbarungen bei Arbeitsantritt gibt.
Der Wettbewerbsdruck und die Marktlandschaft der Essenslieferung
Der Markt für Essenslieferungen ist von intensivem Wettbewerb geprägt. Neben Lieferando konkurrieren in Deutschland weitere große internationale Player wie Uber Eats und Wolt. Diese Wettbewerber, zusammen mit schnellwachsenden Quick-Commerce-Anbietern wie Flink und Gorillas, die ebenfalls Lebensmittel liefern, treiben einen Verdrängungswettbewerb voran.
Dieser aggressive Wettbewerb führt zu hohen Marketingausgaben und hat in der Vergangenheit oft zu unprofitablen Geschäftsmodellen geführt, selbst bei starkem Wachstum. Der Fokus liegt auf der Verbesserung des Nutzererlebnisses, der Effizienz der Lieferung und der Erweiterung der Restaurantpartnerschaften. Die Herausforderung besteht darin, trotz hoher Lieferkosten und der Notwendigkeit, Lebensmittelqualität und ‑sicherheit während des Transports zu gewährleisten, rentabel zu bleiben. Der Markt ist ständig in Bewegung, und Unternehmen müssen kontinuierlich Anbieter und ihre Produkte beobachten, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Post-Pandemie-Effekte: Anpassungen und Herausforderungen
Die COVID-19-Pandemie hat der Online-Essenslieferung einen erheblichen Schub verliehen. Lieferando und andere Dienste galten als klare Gewinner der Pandemie, da die Nachfrage nach bequemen Essensoptionen, die online bestellt und nach Hause geliefert werden, stark anstieg. Das Wachstum im Online-Kanal für Lebensmittel in Europa lag 2020 bei 55 %, verglichen mit etwa 10 % im Jahr 2019.
Nach dem anfänglichen Boom zeigt sich nun eine Phase der Anpassung und Konsolidierung. Zwar hat sich das Online-Bestellverhalten bei vielen Verbrauchern etabliert, doch der Markt muss nun Wege zu nachhaltiger Rentabilität finden. Unternehmen wie Lieferando passen ihre operativen Strategien an, um den sich verändernden Erwartungen der Kunden und den Anforderungen an Lieferzeiten und ‑zuverlässigkeit gerecht zu werden.
Gleichzeitig steht die traditionelle Gastronomie vor Herausforderungen wie dem Arbeitskräftemangel und einer gestiegenen Preissensibilität der Verbraucher. Der anhaltende Trend zu Homeoffice trägt ebenfalls dazu bei, dass Lieferservices weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Die Lieferbranche muss sich nicht nur auf die Kundenbedürfnisse konzentrieren, sondern auch auf die Rentabilität, was oft bedeutet, dass die Kosten für die Lieferungen an die Kunden weitergegeben werden müssen.
Fazit
Lieferando agiert als zentraler Aggregator im deutschen Essensliefermarkt und generiert seinen Umsatz hauptsächlich durch Provisionsmodelle und verschiedene Gebühren. Um in einem aggressiven Wettbewerbsumfeld zu bestehen und die Profitabilität zu steigern, setzt das Unternehmen auf konsequente Effizienzsteigerung durch Technologie und eine strategische Neuausrichtung hin zur Auslagerung von Lieferdiensten an Subunternehmen. Dieser Wandel, obwohl potenziell kostensenkend, wirft jedoch wichtige Fragen bezüglich der Arbeitsbedingungen und der sozialen Verantwortung des Unternehmens auf. Die Post-Pandemie-Ära zwingt die gesamte Branche zu kontinuierlicher Anpassung und Innovation, wobei der Fokus auf nachhaltigem Wachstum und der Balance zwischen Kundenerlebnis und Rentabilität liegt. Der Wettbewerb bleibt intensiv und wird die Marktlandschaft der Essenslieferung weiterhin prägen.