Con­ti­nen­tal: Betriebs­rat im Kri­sen­mo­dus – Was kön­nen Betriebs­rä­te aus aktu­el­len Ent­wick­lun­gen lernen?

Con­ti­nen­tal: Betriebs­rat im Kri­sen­mo­dus – Was kön­nen Betriebs­rä­te aus aktu­el­len Ent­wick­lun­gen lernen?

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Aktu­ell steht Con­ti­nen­tal vor einer der größ­ten Her­aus­for­de­run­gen der letz­ten Jah­re. Mas­sen­ent­las­sun­gen, Stand­ort­schlie­ßun­gen und eine geplan­te Abspal­tung der Auto­zu­lie­fe­rer-Spar­te sor­gen für Unru­he – nicht nur inner­halb des Unter­neh­mens, son­dern in der gesam­ten Auto­mo­bil­in­dus­trie. Der Betriebs­rat und die IG Metall sind gefor­dert, Lösun­gen für die tau­sen­den von betrof­fe­nen Arbeit­neh­mern zu finden.

Doch was kön­nen ande­re Betriebs­rä­te aus die­ser Situa­ti­on ler­nen? Wel­che Hand­lungs­mög­lich­kei­ten gibt es bei Umstruk­tu­rie­run­gen? Und wel­che Stra­te­gien haben sich bereits als erfolg­reich erwie­sen? Die­ser Arti­kel gibt einen detail­lier­ten Über­blick über die aktu­el­len Ent­wick­lun­gen bei Con­ti­nen­tal, zeigt Best Prac­ti­ces aus ande­ren Unter­neh­men auf und lie­fert kon­kre­te Hand­lungs­emp­feh­lun­gen für Betriebsräte.


Der Fall Con­ti­nen­tal – Eine Momentaufnahme

Der deut­sche Auto­mo­bil­zu­lie­fe­rer Con­ti­nen­tal steckt mit­ten in einem umfas­sen­den Restruk­tu­rie­rungs­pro­zess. Beson­ders betrof­fen ist der Stand­ort Wetz­lar, wo nun 360 von ins­ge­samt 430 Arbeits­plät­zen gestri­chen wer­den sol­len – deut­lich mehr als ursprüng­lich ange­kün­digt. Die­ser mas­si­ve Stel­len­ab­bau sorgt für Unmut unter den Beschäf­tig­ten und hat bereits zu Pro­tes­ten geführt.

Ein wei­te­res gro­ßes The­ma ist die geplan­te Abspal­tung der Auto­zu­lie­fe­rer-Spar­te. Bis Ende 2025 soll die­ser Unter­neh­mens­be­reich eigen­stän­dig wer­den – ein Schritt, der von vie­len Exper­ten als ris­kant bewer­tet wird. Der Betriebs­rat und die IG Metall war­nen vor wei­te­ren Arbeits­platz­ver­lus­ten und einer Ver­schlech­te­rung der Arbeits­be­din­gun­gen.

Laut einer Ana­ly­se des Mana­ger Maga­zins könn­te die­se Auf­spal­tung zu einer Zer­schla­gung des Unter­neh­mens füh­ren, falls die pro­fi­ta­blen Unter­neh­mens­be­rei­che ver­kauft oder an die Bör­se gebracht wer­den. Der Betriebs­rats­vor­sit­zen­de Hasan Allak äußer­te sich kri­tisch:
“Es fehlt an einer kla­ren Auf­bruch­stim­mung. Wir brau­chen Sicher­heit für die Beschäf­tig­ten, nicht noch mehr Unsicherheiten.”

Reak­tio­nen von Gewerk­schaf­ten und Belegschaft

Die IG Metall hat bereits ange­kün­digt, sich vehe­ment gegen den mas­si­ven Stel­len­ab­bau zu weh­ren. Zahl­rei­che Pro­tes­te und Ver­hand­lun­gen lau­fen bereits, um für die Arbeit­neh­mer bes­se­re Lösun­gen zu fin­den. Auch die Beleg­schaft zeigt sich kämp­fe­risch – bereits im Janu­ar 2025 fan­den ers­te Warn­streiks in Wetz­lar statt.

Beson­ders bri­sant: Laut Han­dels­blatt prüft die Gewerk­schaft der­zeit recht­li­che Schrit­te, um den Stel­len­ab­bau zu stop­pen oder zumin­dest abzu­mil­dern. Dabei geht es ins­be­son­de­re um Sozi­al­plä­ne und Alter­na­ti­ven wie Früh­ver­ren­tun­gen oder Ver­set­zun­gen an ande­re Stand­or­te.


Die Rol­le des Betriebs­rats in Krisensituationen

Der Betriebs­rat spielt in einer Kri­sen­si­tua­ti­on wie die­ser eine ent­schei­den­de Rol­le. Sei­ne Auf­ga­be ist es, die Inter­es­sen der Beschäf­tig­ten zu ver­tre­ten und gleich­zei­tig Ver­hand­lungs­lö­sun­gen mit der Unter­neh­mens­lei­tung zu fin­den. Doch wel­che kon­kre­ten Maß­nah­men kann ein Betriebs­rat in solch einer Lage ergreifen?

1. Mit­be­stim­mung und Ver­hand­lungs­macht nutzen

In Deutsch­land haben Betriebs­rä­te dank des Betriebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes (BetrVG) weit­rei­chen­de Mit­be­stim­mungs­rech­te. Dazu gehö­ren:
Infor­ma­ti­ons­recht: Der Arbeit­ge­ber muss den Betriebs­rat früh­zei­tig über geplan­te Umstruk­tu­rie­run­gen infor­mie­ren.
Mit­spra­che­recht: Bei Mas­sen­ent­las­sun­gen ist eine Betriebs­rats­an­hö­rung ver­pflich­tend.
Sozi­al­plan­ver­hand­lun­gen: Der Betriebs­rat kann finan­zi­el­le Aus­gleichs­zah­lun­gen und Abfin­dun­gen aushandeln.

Im Fall von Con­ti­nen­tal for­dert die IG Metall einen umfang­rei­chen Sozi­al­plan, um die nega­ti­ven Fol­gen des Stel­len­ab­baus abzu­fe­dern. Ähn­li­che Maß­nah­men könn­ten auch für ande­re Betriebs­rä­te ein Ansatz sein, um die Situa­ti­on für Beschäf­tig­te zu verbessern.

2. Alter­na­ti­ve Lösun­gen zum Stel­len­ab­bau finden

Nicht immer muss ein Restruk­tu­rie­rungs­pro­zess direkt mit Ent­las­sun­gen ein­her­ge­hen. Es gibt zahl­rei­che alter­na­ti­ve Maß­nah­men, die auch Betriebs­rä­te aktiv vor­schla­gen können:

Wei­ter­bil­dung & Umschu­lung: Arbeit­neh­mer kön­nen für neue Tätig­kei­ten inner­halb oder außer­halb des Unter­neh­mens qua­li­fi­ziert wer­den.
Teil­zeit­mo­del­le & fle­xi­ble Arbeits­zei­ten: Anstatt Stel­len kom­plett zu strei­chen, kann die Arbeits­zeit redu­ziert wer­den.
Früh­ver­ren­tungs­mo­del­le: Älte­re Arbeit­neh­mer kön­nen frei­wil­lig aus dem Arbeits­le­ben ausscheiden.

Ein gutes Bei­spiel ist das Modell „Von Arbeit in Arbeit“, das bereits am Con­ti­nen­tal-Stand­ort Gif­horn erfolg­reich umge­setzt wur­de. Die­ses Kon­zept basiert auf einer engen Zusam­men­ar­beit zwi­schen Unter­neh­men, Betriebs­rat und ande­ren Arbeit­ge­bern in der Regi­on, um naht­lo­se Über­gän­ge für betrof­fe­ne Arbeit­neh­mer zu ermöglichen.

Best Prac­ti­ces aus ande­ren Unternehmen

Wäh­rend die aktu­el­le Lage bei Con­ti­nen­tal für vie­le Beschäf­tig­te besorg­nis­er­re­gend ist, gibt es zahl­rei­che Bei­spie­le aus der Indus­trie, wie Betriebs­rä­te und Gewerk­schaf­ten in ver­gleich­ba­ren Situa­tio­nen erfolg­reich Lösun­gen gefun­den haben.

1. Volks­wa­gen: Erfolg­rei­che Beschäf­ti­gungs­si­che­rung durch Tarifverträge

Als VW im Zuge der Trans­for­ma­ti­on zur Elek­tro­mo­bi­li­tät mas­si­ve Umstruk­tu­rie­run­gen ankün­dig­te, setz­te die IG Metall auf eine stra­te­gi­sche Tarif­po­li­tik. Statt direk­ten Ent­las­sun­gen wur­den:
Neue Wei­ter­bil­dungs­pro­gram­me für Beschäf­tig­te im Bereich Elek­tro­mo­bi­li­tät ein­ge­führt.
Früh­ver­ren­tungs­pro­gram­me für älte­re Arbeit­neh­mer aus­ge­wei­tet.
Garan­tien für Beschäf­ti­gungs­si­che­rung durch lang­fris­ti­ge Tarif­ver­trä­ge verhandelt.

2. Bosch: Sozi­al­ver­träg­li­cher Umbau durch inter­ne Umschulungen

Auch Bosch stand vor der Her­aus­for­de­rung, durch den Rück­gang von Ver­bren­nungs­mo­to­ren vie­le Arbeits­plät­ze umzu­struk­tu­rie­ren. Hier setz­te das Unter­neh­men in enger Abstim­mung mit dem Betriebs­rat auf:
Inter­ne Umschu­lungs­pro­gram­me für betrof­fe­ne Mit­ar­bei­ter in neue Tätig­keits­be­rei­che.
Fle­xi­ble Beschäf­ti­gungs­mo­del­le, um Kün­di­gun­gen zu ver­mei­den.
För­de­rung von Inno­va­ti­ons­teams, um neue Geschäfts­fel­der zu erschließen.

Die­se Best Prac­ti­ces zei­gen, dass Betriebs­rä­te nicht nur reagie­ren, son­dern aktiv alter­na­ti­ve Lösun­gen zur klas­si­schen Ent­las­sungs­po­li­tik ent­wi­ckeln können.


Hand­lungs­emp­feh­lun­gen für Betriebsräte

Um in ver­gleich­ba­ren Kri­sen­si­tua­tio­nen hand­lungs­fä­hig zu blei­ben, soll­ten Betriebs­rä­te auf eine pro­ak­ti­ve Stra­te­gie set­zen. Hier sind eini­ge kon­kre­te Emp­feh­lun­gen:

1. Früh­zei­ti­ge Ein­bin­dung in Restrukturierungspläne

Vie­le Umstruk­tu­rie­rungs­maß­nah­men wer­den lan­ge im Vor­aus geplant. Ein Betriebs­rat soll­te daher auf sein Infor­ma­ti­ons­recht nach § 80 BetrVG bestehen und:
Früh­zei­tig Gesprä­che mit der Geschäfts­lei­tung suchen.
Exter­ne Exper­ten und Gewerk­schaf­ten ein­bin­den.
Eige­ne Alter­na­tiv­vor­schlä­ge für Arbeits­platz­si­che­rung entwickeln.

2. Star­ke Netz­wer­ke aufbauen

Erfolg­rei­che Betriebs­rä­te arbei­ten sel­ten allein – statt­des­sen nut­zen sie ihre Netz­wer­ke:
Koope­ra­ti­on mit ande­ren Unter­neh­men in der Regi­on (z. B. zur Ver­mitt­lung von Arbeits­kräf­ten).
Zusam­men­ar­beit mit der IG Metall oder ande­ren Gewerk­schaf­ten.
Aus­tausch mit ande­ren Betriebs­rä­ten über Best Practices.

3. Wei­ter­bil­dung als Schlüs­sel­stra­te­gie nutzen

Durch die rasan­te Ver­än­de­rung der Auto­mo­bil­in­dus­trie sind neue Qua­li­fi­ka­tio­nen gefragt. Betriebs­rä­te soll­ten sich daher für:
Geziel­te Wei­ter­bil­dungs­an­ge­bo­te für Beschäf­tig­te ein­set­zen.
För­der­pro­gram­me für Umschu­lun­gen nut­zen.
Einen Wei­ter­bil­dungs­fonds mit dem Arbeit­ge­ber verhandeln.


Fazit: Was bleibt von der Continental-Krise?

Der Fall Con­ti­nen­tal zeigt ein­drucks­voll, dass Restruk­tu­rie­run­gen in der Auto­mo­bil­in­dus­trie nicht spur­los an der Beleg­schaft vor­bei­ge­hen. Stel­len­ab­bau, Werks­schlie­ßun­gen und Out­sour­cing sind kei­ne Aus­nah­me, son­dern Teil eines grö­ße­ren indus­tri­el­len Wan­dels.

Betriebs­rä­te und Gewerk­schaf­ten haben jedoch die Mög­lich­keit, durch früh­zei­ti­ge Ver­hand­lun­gen, inno­va­ti­ve Lösun­gen und star­ke Netz­wer­ke die Aus­wir­kun­gen sol­cher Kri­sen abzu­mil­dern. Erfolg­rei­che Bei­spie­le wie Volks­wa­gen oder Bosch zei­gen, dass es Alter­na­ti­ven zu mas­si­ven Ent­las­sun­gen gibt – sei es durch Umschu­lung, Früh­ver­ren­tung oder stra­te­gi­sche Tarif­ver­trä­ge.

Für Betriebs­rä­te bedeu­tet das:
Recht­zei­tig aktiv wer­den und Mit­be­stim­mungs­rech­te nut­zen.
Alter­na­ti­ve Lösun­gen zum Stel­len­ab­bau ent­wi­ckeln.
Beschäf­tig­te in den Ver­än­de­rungs­pro­zess einbinden.

Die Zukunft der Auto­mo­bil­in­dus­trie ist unge­wiss – aber Betriebs­rä­te kön­nen aktiv dazu bei­tra­gen, dass die­ser Wan­del fair und sozi­al­ver­träg­lich gestal­tet wird.


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