Am 20. Februar ist der Welttag der sozialen Gerechtigkeit der Vereinten Nationen. Der Tag erinnert daran, dass soziale Ungleichheit weltweit nach wie vor ein großes Problem darstellt und fordert dazu auf, für mehr Gerechtigkeit zu kämpfen. Dabei geht es um die Frage, wie Ressourcen und Chancen in einer Gesellschaft verteilt sind und wer davon profitiert. Insbesondere die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig soziale Gerechtigkeit ist und wie stark Ungleichheit die Auswirkungen einer Krise verschärft. In diesem Artikel wollen wir uns mit dem Thema der sozialen Gerechtigkeit beschäftigen und untersuchen, wie es um die Gerechtigkeit in Deutschland bestellt ist.
Was bedeutet denn eigentlich soziale Gerechtigkeit?
Eine allgemeine Definition von sozialer Gerechtigkeit ist zunächst einmal schwierig, da diese von verschiedenen Faktoren abhängt und oft auch als subjektiv empfunden wird. Grundsätzlich geht es jedoch darum, dass alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Einkommen oder ihrem sozialen Status die gleichen Chancen und Möglichkeiten haben sollten. Soziale Gerechtigkeit ist also ein zentrales Anliegen für eine faire und demokratische Gesellschaft.
Um soziale Gerechtigkeit zu beschreiben, können verschiedene Faktoren betrachtet werden. Dazu zählen zum Beispiel die Verteilung von Vermögen und Einkommen, die Bildungschancen, das Armutsrisiko innerhalb einer Gesellschaft sowie der Zugang zum Gesundheitswesen und zum Arbeitsmarkt. Auch politische Teilhabe und die Chancen, in der Gesellschaft gehört und wahrgenommen zu werden, spielen eine Rolle.
Zur Messung der sozialen Ungleichheit werden in der Regel statistische Verfahren eingesetzt. Dabei ist die Vermögenskonzentration sowie die Einkommenshöhe das zentrale Messkriterium für die soziale Ungleichheit einer Gesellschaft. Ein hoher Grad an Ungleichheit deutet darauf hin, dass bestimmte Gruppen von Menschen systematisch benachteiligt werden.
Allerdings ist es schwierig, eine einheitliche Definition für soziale Gerechtigkeit zu finden, da es immer wieder kontroverse Diskussionen darüber gibt, welche Faktoren dabei berücksichtigt werden sollten. So hängt die Wahrnehmung von sozialer Gerechtigkeit stark von individuellen Werten und Einstellungen ab und kann in verschiedenen Kulturen und Gesellschaften unterschiedlich ausgeprägt sein.
Soziale Ungleichheit in Deutschland
In Deutschland wird die soziale Gerechtigkeit immer wieder kontrovers diskutiert. Dabei spielen vor allem die Vermögenskonzentration und die Einkommenshöhe eine zentrale Rolle. Zur Messung der Vermögensungleichheit wird in der Regel der sogenannte Gini-Koeffizient eingesetzt. Dieser misst, wie gleich oder ungleich Vermögen innerhalb einer bestimmten Personengruppe verteilt ist und kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Je näher der Wert bei 1 liegt, desto ungleicher ist die Vermögensverteilung.
Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) lag der Gini-Koeffizient für Vermögen in Deutschland zuletzt bei rund 0,83. Das bedeutet, dass die Vermögensverteilung hierzulande sehr ungleich ist. Insbesondere die oberen zehn Prozent der Bevölkerung besitzen einen großen Teil des Vermögens. So besaßen die wohlhabendsten zehn Prozent der Bevölkerung im Jahr 2017 rund zwei Drittel des Gesamtvermögens. Das reichste Prozent der Bevölkerung gehörte sogar 35 Prozent des deutschen Gesamtvermögens.
Die Daten zur Vermögensverteilung zeigen, dass die reichsten Menschen in Deutschland über ein enormes Vermögen verfügen, während die untere Hälfte der erwachsenen Bevölkerung nur einen sehr geringen Anteil besitzt. So hatte die untere Hälfte der erwachsenen Bevölkerung im Jahr 2017 gerade einmal 1,3 Prozent des Gesamtvermögens zur Verfügung.
Allerdings gibt es auch andere Verfahren zur Messung der sozialen Ungleichheit. So hat die Bertelsmann Stiftung einen “Social Justice Index” entwickelt, der Faktoren wie Armutsrisiko, Bildungschancen und Arbeitsmarktzugang deutlich höher gewichtet als die Vermögensungleichheit. In einer Studie der Stiftung von 2019 belegte Deutschland unter 41 OECD-Staaten den 10. Platz. Im Vergleich mit anderen EU-Ländern schnitt Deutschland damit mittelmäßig ab. Die skandinavischen Länder und Island erreichten die besten Platzierungen.
Corona-Krise und soziale Ungleichheit
Die Corona-Pandemie hat weltweit massive Auswirkungen auf die soziale Gerechtigkeit. Insbesondere in Ländern mit einer bereits vorher stark ausgeprägten sozialen Ungleichheit, wie beispielsweise in Indien, wird die Pandemie zu einer zusätzlichen Herausforderung. Auch in Deutschland hat die Krise die soziale Ungleichheit verschärft.
So sind Menschen mit geringem Einkommen und Minderheiten von der Pandemie besonders betroffen. Studien zeigen, dass Covid-19-Infektionen bei Menschen mit geringem Einkommen häufiger schwer verlaufen. Eine mögliche Ursache hierfür ist, dass diese Menschen häufiger unter problematischen Vorerkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck leiden. Auch in Ländern wie den USA oder dem Vereinigten Königreich sterben Angehörige von Minderheiten häufiger an dem Virus. Als Gründe werden hier beengte Wohnverhältnisse und die Tatsache genannt, dass ärmere Menschen und Migranten häufig in schlecht geschützten Berufen ohne Homeoffice-Möglichkeiten arbeiten.
In Deutschland hatte im Juni 2020 laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung etwa die Hälfte (48 Prozent) der befragten Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen von unter 900 Euro Einkommensverluste erlitten. In der Gruppe der Haushalte, die ein Nettoeinkommen von über 4.500 Euro erzielen, waren es dagegen nur etwas mehr als ein Viertel (27 Prozent).
Zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Krise hat die Bundesregierung vor allem auf das Instrument der Kurzarbeit gesetzt. Dadurch sollten Entlassungen vermieden und wirtschaftliche Einbußen ausgeglichen werden. Allerdings führt Kurzarbeit für viele Arbeitnehmer auch zu Einkommensverlusten. Insbesondere Geringverdienende, die in Branchen wie Gastronomie oder Einzelhandel arbeiten, mussten besonders häufig Kurzarbeit in Anspruch nehmen.
Die Corona-Krise hat jedoch nicht nur finanzielle Folgen, sondern auch Auswirkungen auf die Bildungs- und Generationengerechtigkeit. So verstärkt das Homeschooling bestehende Bildungsungerechtigkeiten, da nicht alle Schülerinnen und Schüler über eine angemessene technische Ausstattung oder einen geeigneten Lernort verfügen. Auch die sozialen Kontakte und Freizeitmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche werden stark eingeschränkt, was insbesondere für Kinder aus ärmeren Familien negative Folgen haben kann.
Insgesamt zeigt sich, dass die Corona-Krise die soziale Ungleichheit in Deutschland verstärkt hat und noch verstärken wird. Es bedarf daher politischer Maßnahmen, um diese Ungleichheiten abzubauen und sozial gerechte Lösungen für die Zukunft zu schaffen.
Fazit
Die soziale Ungleichheit bleibt trotz zahlreicher politischer Bemühungen weiterhin ein drängendes Problem in Deutschland und weltweit. Die Corona-Pandemie hat die bestehenden Ungleichheiten noch verstärkt und verdeutlicht, dass insbesondere Menschen mit geringem Einkommen und Minderheiten besonders betroffen sind. Um soziale Gerechtigkeit zu erreichen, müssen die Vermögens- und Einkommensverteilung sowie Bildungschancen und politische Teilhabe verbessert werden.
Politik und Gesellschaft sind gleichermaßen gefordert, die Ursachen sozialer Ungerechtigkeit anzugehen und Maßnahmen zur Überwindung zu ergreifen. Eine gerechte Verteilung der Ressourcen sowie eine gerechte Teilhabe an Bildung, Gesundheitsversorgung und Arbeit sind grundlegende Voraussetzungen für eine sozial gerechte Gesellschaft.
Der Welttag der sozialen Gerechtigkeit ist ein wichtiger Anlass, um auf die Bedeutung sozialer Gerechtigkeit aufmerksam zu machen und zu deren Überwindung aufzurufen. Es bleibt zu hoffen, dass die Erinnerung an diesen Tag dazu beitragen wird, dass politische Entscheidungsträger*innen und die Gesellschaft insgesamt sich verstärkt dafür einsetzen, eine gerechtere Welt zu schaffen.
Quellen
- “Aus Politik und Zeitgeschichte” 41/2020: “Personelle Vermögensverteilung in Deutschland” (Bundeszentrale für politische Bildung)
- “Verteilungsbericht 2021”: https://www.wzb.eu/de/publikationen/datenreport/datenreport-2021-ein-sozialbericht-fuer-die-bundesrepublik-deutschland (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung)
- “Armut und Reichtum. Ein Vierteljahrhundert Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung” (Bundesregierung)
- “Corona-Update: Monitoring gesellschaftlicher Folgen der Pandemie”: https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-corona-verstarkt-die-ungleichheit-28843.htm (Hans-Böckler-Stiftung)
- “Social Justice Index” (Bertelsmann Stiftung)
- “Sozio-oekonomisches Panel (SOEP)”: https://www.diw.de/soep (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung)
- “Einkommens- und Verbrauchsstichprobe” (Statistisches Bundesamt)