Die Arbeit eines Betriebsrats ist vielseitig und anspruchsvoll. Um die Interessen der Belegschaft effektiv vertreten zu können, ist fundiertes Wissen unerlässlich. Der § 37 BetrVG räumt Betriebsratsmitgliedern einen wichtigen Schulungsanspruch ein, der es ihnen ermöglicht, sich das notwendige Know-how anzueignen. Doch welche Rechte und Pflichten sind damit verbunden? Dieser Artikel beleuchtet die wichtigsten Aspekte des Schulungsanspruchs nach § 37 BetrVG und gibt einen umfassenden Überblick über die Rechte des Betriebsrats.
Der Schulungsanspruch nach § 37 BetrVG – Eine Einführung
Der § 37 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) ist die zentrale Rechtsgrundlage für den Schulungsanspruch von Betriebsratsmitgliedern in Deutschland. Dieser Paragraph soll sicherstellen, dass Betriebsratsmitglieder über das notwendige Wissen verfügen, um ihre Aufgaben effektiv und im Sinne der Belegschaft wahrnehmen zu können. Konkret regelt § 37 Abs. 6 BetrVG, dass Mitglieder des Betriebsrats Anspruch auf bezahlte Freistellung zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen haben, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind.
Wer darf an Schulungen teilnehmen?
Grundsätzlich haben alle Mitglieder des Betriebsrats, einschließlich der Ersatzmitglieder, Anspruch auf Schulungen. Dies gilt unabhängig von der Größe des Betriebs oder der Dauer der Betriebsratszugehörigkeit. Auch neu gewählte Betriebsratsmitglieder haben von Beginn an einen Anspruch auf die Teilnahme an Schulungen, die ihnen die notwendigen Grundlagen für ihre Tätigkeit vermitteln.
Welche Arten von Schulungen sind vom Anspruch umfasst?
Der Schulungsanspruch erstreckt sich auf alle Schulungen, die Kenntnisse vermitteln, die für die Betriebsratsarbeit erforderlich sind. Dazu gehören sowohl Grundlagenschulungen, die das notwendige Basiswissen vermitteln (z.B. Arbeitsrecht, Betriebsverfassungsrecht), als auch Spezialschulungen, die sich mit spezifischen Themen befassen (z.B. Datenschutz, Gesundheitsschutz, Digitalisierung). Auch Seminare, die die persönliche Entwicklung der Betriebsratsmitglieder fördern und ihre Kommunikations- und Verhandlungskompetenzen stärken, können unter den Schulungsanspruch fallen. Wichtig ist, dass die Inhalte der Schulung einen Bezug zur konkreten Tätigkeit des Betriebsrats haben müssen.
Der Schulungsanspruch ist ein wichtiger Baustein für eine effektive und kompetente Betriebsratsarbeit. Er ermöglicht es den Betriebsratsmitgliedern, sich das notwendige Wissen anzueignen, um die Interessen der Belegschaft bestmöglich zu vertreten und die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats wahrzunehmen.
Notwendigkeit und Erforderlichkeit von Schulungen
Die Frage, wann eine Schulung als “erforderlich” im Sinne des § 37 BetrVG gilt, ist von zentraler Bedeutung für die Durchsetzung des Schulungsanspruchs. Der Gesetzgeber hat den Begriff der Erforderlichkeit bewusst offen formuliert, um den Besonderheiten der jeweiligen Betriebsratsarbeit Rechnung zu tragen.
Was bedeutet “erforderlich”?
Eine Schulung ist dann erforderlich, wenn die vermittelten Kenntnisse für die ordnungsgemäße Erledigung der Aufgaben des Betriebsrats notwendig sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich der Betriebsrat mit neuen oder komplexen Themen auseinandersetzen muss oder wenn sich die rechtlichen oder betrieblichen Rahmenbedingungen ändern. Die Erforderlichkeit einer Schulung ist nicht davon abhängig, ob der Betriebsrat die betreffenden Kenntnisse bereits besitzt. Auch wenn einzelne Betriebsratsmitglieder bereits über Vorkenntnisse verfügen, kann die Teilnahme an einer Schulung für alle Mitglieder erforderlich sein, um einen einheitlichen Wissensstand im Gremium zu gewährleisten.
Wie wird die Erforderlichkeit beurteilt?
Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit sind verschiedene Kriterien zu berücksichtigen. Dazu gehören unter anderem:
- Die aktuellen Aufgaben und Herausforderungen des Betriebsrats
- Die Komplexität der zu behandelnden Themen
- Die Vorkenntnisse der Betriebsratsmitglieder
- Die Größe und Struktur des Betriebs
- Die wirtschaftliche Situation des Unternehmens
Wann ist eine Schulung notwendig?
Einige Beispiele, wann eine Schulung als notwendig angesehen werden kann:
- Einführung neuer Technologien oder Arbeitsmethoden: Wenn im Betrieb neue Technologien oder Arbeitsmethoden eingeführt werden, ist es für den Betriebsrat erforderlich, sich mit den damit verbundenen rechtlichen und sozialen Fragen auseinanderzusetzen. Eine Schulung zu diesem Thema kann dem Betriebsrat helfen, die Auswirkungen der Veränderungen auf die Belegschaft zu beurteilen und gegebenenfalls Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer zu ergreifen.
- Änderung der Gesetzeslage: Wenn sich die Gesetzeslage ändert, die für die Betriebsratsarbeit relevant ist (z.B. im Arbeitsrecht oder im Datenschutzrecht), ist es für den Betriebsrat erforderlich, sich über die neuen Bestimmungen zu informieren. Eine Schulung zu diesem Thema kann dem Betriebsrat helfen, die Auswirkungen der Gesetzesänderung auf den Betrieb zu verstehen und seine Arbeit entsprechend anzupassen.
- Besondere betriebliche Situationen: In besonderen betrieblichen Situationen, wie z.B. bei Umstrukturierungen, Rationalisierungen oder drohenden Entlassungen, ist es für den Betriebsrat erforderlich, sich mit den damit verbundenen rechtlichen und sozialen Fragen auseinanderzusetzen. Eine Schulung zu diesem Thema kann dem Betriebsrat helfen, die Interessen der Belegschaft zu vertreten und sozialverträgliche Lösungen zu finden.
Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 23.05.2012 (7 ABR 73/10) betont, dass die Erforderlichkeit einer Schulung nicht zu eng ausgelegt werden darf. Das Gericht hat klargestellt, dass der Betriebsrat einen Beurteilungsspielraum bei der Entscheidung hat, welche Schulungen für seine Mitglieder erforderlich sind. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich verpflichtet, die Kosten für Schulungen zu übernehmen, die der Betriebsrat für erforderlich hält, es sei denn, die Entscheidung des Betriebsrats ist offensichtlich unvernünftig oder willkürlich.
Umfang und Grenzen des Schulungsanspruchs nach § 37 BetrVG
Der Schulungsanspruch nach § 37 BetrVG umfasst nicht nur die Teilnahme an der Schulung selbst, sondern auch die Übernahme der damit verbundenen Kosten durch den Arbeitgeber. Doch in welchem Umfang muss der Arbeitgeber die Schulungskosten übernehmen und wo liegen die Grenzen des Schulungsanspruchs?
Was beinhaltet die Kostenübernahme?
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, alle notwendigen Kosten zu tragen, die im Zusammenhang mit der Teilnahme an einer erforderlichen Schulung entstehen. Dazu gehören insbesondere:
- Seminargebühren: Der Arbeitgeber muss die vollen Seminargebühren übernehmen, die für die Teilnahme an der Schulung anfallen.
- Reisekosten: Der Arbeitgeber muss die Reisekosten der Betriebsratsmitglieder übernehmen, die für die An- und Abreise zur Schulung entstehen. Dazu gehören in der Regel die Kosten für öffentliche Verkehrsmittel oder die Fahrtkosten mit dem eigenen PKW.
- Übernachtungskosten: Wenn die Schulung an einem Ort stattfindet, der vom Wohnort des Betriebsratsmitglieds entfernt ist, muss der Arbeitgeber auch die Kosten für die Übernachtung übernehmen.
- Verpflegungskosten: Der Arbeitgeber muss die Verpflegungskosten der Betriebsratsmitglieder übernehmen, die während der Schulung anfallen. In der Regel werden hierfür Tagessätze angesetzt.
Wo liegen die Grenzen des Schulungsanspruchs?
Der Schulungsanspruch ist nicht grenzenlos. Es gibt bestimmte Kosten, die der Arbeitgeber nicht übernehmen muss. Dazu gehören insbesondere:
- Luxusaufwendungen: Der Arbeitgeber muss keine Kosten für Luxusaufwendungen übernehmen, die über das Notwendige hinausgehen. Dazu gehören z.B. teure Hotelzimmer oder exklusive Mahlzeiten.
- Kosten für private Angelegenheiten: Der Arbeitgeber muss keine Kosten für private Angelegenheiten übernehmen, die im Zusammenhang mit der Schulung entstehen. Dazu gehören z.B. Kosten für private Ausflüge oder Einkäufe.
- Kosten für Schulungen, die nicht erforderlich sind: Der Arbeitgeber muss keine Kosten für Schulungen übernehmen, die nicht erforderlich sind im Sinne des § 37 BetrVG.
Es ist wichtig zu beachten, dass der Betriebsrat bei der Auswahl von Schulungen und der Planung der Reise- und Übernachtungskosten auf Wirtschaftlichkeit achten muss. Der Betriebsrat sollte sich im Vorfeld über die verschiedenen Angebote informieren und das kostengünstigste Angebot wählen, das den Anforderungen der Schulung entspricht. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Übernahme von Kosten zu verweigern, die unangemessen hoch sind oder die nicht im Zusammenhang mit der Schulung stehen.
Die genauen Grenzen des Schulungsanspruchs sind oft Auslegungssache und können im Einzelfall strittig sein. Es empfiehlt sich daher, frühzeitig das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen und eine einvernehmliche Lösung zu finden. Im Zweifelsfall kann auch die Einigungsstelle angerufen werden, um eine verbindliche Entscheidung zu treffen.
Die Rolle des Betriebsrats bei der Auswahl von Schulungen
Ein wesentlicher Aspekt des Schulungsanspruchs nach § 37 BetrVG ist die Entscheidungskompetenz des Betriebsrats bei der Auswahl von Schulungen. Es ist grundsätzlich Sache des Betriebsrats, zu entscheiden, welche Schulungen für seine Mitglieder am besten geeignet sind, um ihre Aufgaben im Betriebsratsgremium zu erfüllen. Der Arbeitgeber hat hierbei kein Mitspracherecht, solange die Schulung erforderlich ist und die Kosten im Rahmen des Üblichen liegen.
Der Betriebsrat ist bei der Auswahl der Schulungsanbieter frei. Er kann sich für interne Schulungen entscheiden, die vom Unternehmen selbst angeboten werden, oder externe Schulungen bei spezialisierten Schulungsanbietern wählen. Wichtig ist, dass die Schulungsinhalte auf die konkreten Bedürfnisse des Betriebsrats und die Aufgaben im Betrieb zugeschnitten sind.
Bei der Auswahl der Schulung sollte der Betriebsrat folgende Aspekte berücksichtigen:
- Qualifikation der Referenten: Verfügen die Referenten über die notwendige Fachkompetenz und Erfahrung, um die Schulungsinhalte verständlich und praxisnah zu vermitteln?
- Inhalte der Schulung: Entsprechen die Schulungsinhalte den aktuellen Bedürfnissen des Betriebsrats und sind sie relevant für die Aufgaben im Betrieb?
- Methoden der Wissensvermittlung: Werden die Schulungsinhalte abwechslungsreich und interaktiv vermittelt, beispielsweise durch Gruppenarbeiten, Fallbeispiele oder Rollenspiele?
- Kosten der Schulung: Stehen die Kosten der Schulung in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen und den Inhalten?
Der Betriebsrat sollte sich bei der Auswahl von Schulungen nicht von den Empfehlungen des Arbeitgebers beeinflussen lassen. Es ist seine eigene Verantwortung, die Schulung auszuwählen, die für die Erfüllung seiner Aufgaben am besten geeignet ist.
Schulungsanspruch und Freistellung von der Arbeit
Ein wichtiger Bestandteil des Schulungsanspruchs nach § 37 BetrVG ist das Recht auf Freistellung von der Arbeit während der Teilnahme an Schulungen. Das bedeutet, dass Betriebsratsmitglieder während der Schulungszeit von ihren beruflichen Pflichten entbunden sind und dennoch ihr volles Gehalt erhalten.
Die Freistellung von der Arbeit ist notwendig, um den Betriebsratsmitgliedern die ungestörte Teilnahme an der Schulung zu ermöglichen. Während der Schulungszeit sollen sie sich voll und ganz auf die Schulungsinhalte konzentrieren können, ohne durch ihre beruflichen Aufgaben abgelenkt zu werden.
Die Freistellung umfasst nicht nur die reine Schulungszeit, sondern auch die Reisezeiten zum und vom Schulungsort. Auch die Zeit für die Vor- und Nachbereitung der Schulung kann unter Umständen als Arbeitszeit angerechnet werden.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Freistellung zu gewähren, sobald der Betriebsrat die Teilnahme an einer erforderlichen Schulung beschlossen hat. Der Betriebsrat muss den Arbeitgeber jedoch rechtzeitig über die geplante Schulung informieren, damit dieser die Freistellung organisieren und gegebenenfalls Vertretungen einplanen kann.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Freistellung von der Arbeit nicht zu einer Beeinträchtigung des Betriebsablaufs führen darf. Der Betriebsrat muss daher bei der Planung seiner Schulungen darauf achten, dass ausreichend Betriebsratsmitglieder im Betrieb anwesend sind, um die laufenden Aufgaben zu erledigen. Im Zweifelsfall kann es sinnvoll sein, die Schulungen auf mehrere Termine zu verteilen oder die Teilnahme der Betriebsratsmitglieder zu staffeln.
Weitere Informationen zur Freistellung von Betriebsratsmitgliedern für Schulungen finden sich auf der Seite des DGB Bildungswerks NRW: Freistellung für die Schulung von Betriebsräten nach BetrVG – Diese Quelle erläutert detailliert die Freistellungsansprüche von Betriebsratsmitgliedern.
Durchsetzung des Schulungsanspruchs
Obwohl der Schulungsanspruch im § 37 BetrVG klar verankert ist, kann es in der Praxis vorkommen, dass Arbeitgeber die Teilnahme an notwendigen Schulungen verweigern oder die Übernahme der Kosten ablehnen. In solchen Konfliktsituationen ist es entscheidend, dass der Betriebsrat weiß, wie er seinen gesetzlichen Anspruch effektiv durchsetzen kann.
Der erste Schritt zur Durchsetzung des Schulungsanspruchs ist stets ein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss, in dem die Entsendung eines Mitglieds zu einer spezifischen Schulung beschlossen und die Erforderlichkeit begründet wird. Dieser Beschluss muss dem Arbeitgeber form- und fristgerecht mitgeteilt werden. Idealerweise sucht der Betriebsrat zunächst das Gespräch mit dem Arbeitgeber, um eine einvernehmliche Lösung zu finden und die Erforderlichkeit der Schulung darzulegen. Oft lassen sich Missverständnisse ausräumen und Lösungen finden, die den Bedürfnissen beider Seiten gerecht werden.
Bleiben die Gespräche erfolglos und verweigert der Arbeitgeber weiterhin die Zustimmung oder die Kostentragung, hat der Betriebsrat die Möglichkeit, den Anspruch auf gerichtlichem Wege durchzusetzen. Zuständig hierfür ist das Arbeitsgericht. Das Verfahren zur Durchsetzung von Beteiligungsrechten des Betriebsrats wird als Beschlussverfahren bezeichnet. Der Betriebsrat kann beantragen, dass das Gericht den Arbeitgeber verpflichtet, der Entsendung des Betriebsratsmitglieds zuzustimmen und die notwendigen Kosten zu tragen.
Bevor der Weg zum Gericht beschritten wird, kann in bestimmten Fällen auch die Anrufung einer Einigungsstelle gemäß § 76 BetrVG eine Option sein, insbesondere wenn es um grundsätzliche Fragen der Schulungsplanung oder wiederholte Konflikte geht. Die Einigungsstelle versucht, eine verbindliche Regelung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber herbeizuführen.
Für eine erfolgreiche Durchsetzung ist es essenziell, die Erforderlichkeit der ausgewählten Schulung präzise zu begründen und dies gegebenenfalls im Gerichtsverfahren detailliert darzulegen. Eine gute Dokumentation des gesamten Kommunikationsprozesses mit dem Arbeitgeber sowie klare Beweise für die Relevanz der Schulung für die konkrete Betriebsratsarbeit sind hierbei von großer Bedeutung. Die Beauftragung eines auf Arbeitsrecht spezialisierten Anwalts kann ratsam sein, um die rechtlichen Schritte professionell zu begleiten.
Weiterführende Quellen
- 7 ABR 73/10 – Das Bundesarbeitsgericht – Diese Quelle enthält Informationen darüber, wie das Bundesarbeitsgericht die Erforderlichkeit von Schulungen beurteilt.
- Freistellung für die Schulung von Betriebsräten nach BetrVG – Diese Quelle erläutert detailliert die Freistellungsansprüche von Betriebsratsmitgliedern.
- Schulungsanspruch für den Betriebsrat – Ihre Rechte! – Diese Quelle bietet einen Überblick über die Rechte des Betriebsrats bezüglich Schulungen.